Ein prädiktiver Gentest kann eine erbliche Veranlagung für eine noch nicht bestehende Erkrankung feststellen – auch für Krebs. Das Ergebnis kann viele Fragen aufwerfen – nicht zuletzt in puncto Versicherungen.
Fachleute schätzen, dass sich etwa fünf bis zehn Prozent aller Krebserkrankungen auf erbliche genetische Veränderungen – auch Keimbahnmutationen genannt – zurückführen lassen. Wird bei einem Gentest ein erhöhtes Risiko festgestellt, an Krebs zu erkranken, so müssen Betroffene lernen, mit diesem Wissen umzugehen. Ärztinnen und Ärzte unterstützen dabei, indem sie über vorbeugende medizinische Maßnahmen informieren und beraten. Daneben haben Betroffene oft Sorge, dass sie nach einem solchen Gentest keine Lebensversicherung mehr erhalten oder ihre Krankenkasse ihnen kündigt. Diese Angst ist nur zum Teil berechtigt.
Private Versicherung will Risiken abschätzen
Private Versicherungsunternehmen wie beispielsweise Lebens-, Pflege-, Kranken- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen wollen beim Abschluss eines Versicherungsvertrags natürlich wissen, welches Risiko das Geschäft für sie bedeutet. Konkret: Wie hoch ist für die Versicherung das Risiko, dass die Versicherungsnehmerin an Krebs oder einer anderen schwerwiegenden Erkrankung erkrankt? Wie wahrscheinlich ist es, dass der Versicherungsnehmer berufsunfähig oder pflegebedürftig wird? Ein Gentest auf ein erbliches Krebsrisiko kann bei solchen Vorhersagen helfen.
Versicherungen dürfen keine Gentests fordern
Jedoch ist es Versicherungsunternehmen ausdrücklich verboten, vor oder nach Abschluss eines Versicherungsvertrags einen Gentest zu verlangen (§ 18 Gendiagnostikgesetz).
Jeder kann letztlich selbst entscheiden, ob er einen Gentest auf Keimbahnmutationen machen und so etwas über sein Risiko, beispielsweise an Krebs zu erkranken, erfahren möchte. Alle haben im medizinischen Bereich ein sogenanntes Recht auf Nichtwissen: Das bedeutet, dass niemand einen solchen Test durchführen lassen muss, um bestimmte Krankheitsveranlagungen bei sich zu kennen.
Fragen nach Gentests erlaubt?
Anders ist die Rechtslage, wenn das Ergebnis eines Gentests bei Abschluss eines Versicherungsvertrags bereits vorliegt. Dann müssen Betroffene auf Nachfrage des Versicherungsunternehmens das Ergebnis bei manchen Versicherungen mitteilen. Betroffen sind folgende Versicherungen:
- Lebensversicherung,
- Berufsunfähigkeitsversicherung,
- Erwerbsunfähigkeitsversicherung oder
- Pflegerentenversicherung.
Die Pflicht, das Ergebnis eines Gentests mitzuteilen, besteht bei diesen Versicherungen jedoch nur dann, wenn
- eine Leistung von mehr als 300.000 EUR oder
- mehr als 30.000 EUR Jahresrente vereinbart wird.
Danach darf beispielsweise bei Lebensversicherungen bis 300.000 EUR das Versicherungsunternehmen nicht nach Gentests fragen. Bei privaten Krankenversicherungen ist die Frage nach Gentests unabhängig von der Versicherungssumme immer verboten.
Gentests nach Vertragsabschluss
Wenn ein Gentest nach Vertragsabschluss durchgeführt wird, muss das Ergebnis dem Versicherungsunternehmen nicht mitgeteilt werden. Ein bereits abgeschlossener Versicherungsvertrag kann in der Regel nicht wegen einer nach Vertragsabschluss festgestellten genetischen Krankheitsveranlagung gekündigt werden. Dies gilt natürlich auch für private Krankenversicherungen, denn sie werden ja gerade für den späteren Krankheitsfall abgeschlossen.
Anzeigepflicht für Krankheiten bleiben
Unabhängig davon, ob das Ergebnis eines Gentests dem privaten Versicherungsunternehmen mitgeteilt werden muss oder nicht, müssen Fragen zu bestehenden oder vergangenen Erkrankungen wahrheitsgemäß beantwortet werden (§§ 19 bis 22 Versicherungsvertragsgesetz).
Gentests bei gesetzlich Versicherten
Für die gesetzlichen Versicherungen (Sozialversicherungen) wie beispielsweise durch die gesetzlichen Krankenkassen oder durch die Deutsche Rentenversicherung Bund ist das Ergebnis eines Gentests ohne Bedeutung. Bei den Sozialversicherungen finden keine Gesundheitsprüfungen statt. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, erfolgt die Mitgliedschaft unabhängig von bestehenden beziehungsweise vergangenen Erkrankungen oder dem Ergebnis eines Gentests.
Gentest ist nicht gleich Gentest!
Prädiktive Gentests weisen Veränderungen nach, die in der Regel in allen Körperzellen vorhanden sind (Keimbahnmutation). Sie dürfen nicht nicht mit Gentests und molekulargenetischen Untersuchungen am Tumorgewebe von bereits an Krebs Erkrankten verwechselt werden. Mit diesen Tests im Tumorgewebe kann nicht automatisch eine genetische Veranlagung für weitere (Krebs-)Erkrankungen abgeleitet werden.
Wurde im Tumorgewebe eine genetische Veränderung nachgewiesen, die auch erblich sein kann? Dann kann eine Gentestung angeschlossen werden, um zu klären, ob es sich um eine Keimbahnmutation handelt. Einen solchen Gentest muss das Ärzteteam vorab ausführlich mit den Betroffenen besprechen. Meist wird dafür eine Blutprobe benötigt.
Ebenfalls nicht zu verwechseln: Bei Menschen mit Krebs verwenden Fachleute auch die Begriffe "Prädiktiver Faktor" oder "Prädiktiver Marker": Hiermit sind Biomarker gemeint, die Hinweis geben, ob ein bestimmtes Medikament wirksam ist.
Weiterführende Informationen beim Krebsinformationsdienst
- zum Thema Erblicher Krebs: Erhöhtes Krebsrisiko in der Familie.
- zum Thema Molekulare Diagnostik: Tumormarker und andere Biomarker bei Krebs. Wie molekularbiologische Untersuchungen in der Krebsmedizin weiterhelfen.
Zum Weiterlesen: Verwendete Quellen und vertiefende Informationen
Rechtlicher Rahmen/Behördeninformationen
In §§ 19 bis 22 und 47 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist geregelt, welche Rechte (z.B. Kündigung) Versicherungsunternehmen haben, wenn Personen beim Vertragsabschluss falsche Angaben (z.B. zu Erkrankungen) gemacht haben.
§ 18 Gendiagnostikgesetz (GenDG) legt fest, wann Versicherungsunternehmen über das Ergebnis eines Gentests bei Vertragsabschluss informiert werden müssen. Weiterhin verbietet die Regelung Versicherungsunternehmen, vor Abschluss eines Vertrags einen Gentest zu fordern.
Informationen zum Gendiagnostikgesetz finden sich auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums.
Weitere Quellen
Informationen und Publikationen zur Gendiagnostik finden sich auf der Homepage des Deutschen Ethikrats.
Beitrag Stiftung Warentest vom 2.7.2021: "Gesundheitsfragen: Das müssen Sie der Versicherung sagen".
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