Verstopfung bei Krebs: Vorbeugung und Behandlung von Obstipation
Was man mit Hausmitteln erreichen kann, wann Abführmittel wichtig sind
Viele Krebspatienten kennen das: Rund um die Therapie verändern sich plötzlich die Stuhlgewohnheiten. Man kann über Tage gar nicht auf die Toilette. Oder die Darmentleerung fühlt sich unvollständig an, sie ist unangenehm und schmerzhaft. Schwere Verstopfung belastet und schränkt die Lebensqualität ein.
Welchen Einfluss hat die Krebstherapie? Was kann man selbst gegen die sogenannte Obstipation tun? Und was kann schaden, wenn man Krebspatient ist?
Einen ersten Überblick bietet der folgende Text. Er kann eine Beratung durch die behandelnden Ärzte nicht ersetzen, soll Betroffenen aber wichtige Fakten und Hintergründe vermitteln. Interessierte und Fachkreise finden weiterführende Linktipps und genutzte Quellen.
Hinweis: Informationen aus dem Internet können Ihnen einen Überblick bieten. Sie sind aber nicht dazu geeignet, die Beratung durch einen Arzt oder eine Ärztin zu ersetzen.
Akute Verstopfung während der Krebstherapie: Was sind die Auslöser, was hilft?
Nicht jeder Mensch muss jeden Tag: Dreimal pro Woche gelten als genauso normal wie dreimal pro Tag. Bei Gesunden gibt es auch für die Beschaffenheit des Stuhls keine Regeln: Sie kann von „wohlgeformt" bis „hart" reichen.
Wann gehen Fachleute von einer Obstipation aus, so der wissenschaftliche Name für Verstopfung?
Als Kriterien gelten:
- weniger als dreimal pro Woche Stuhlgang und
- klumpiger und harter Stuhl.
Weitere Symptome können sein:
- starkes Pressen während des Stuhlgangs notwendig
- das Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
- eine gefühlte Blockade am Darmausgang
- Blähungen, Völlegefühl oder Bauchschmerzen
Verdauung: Was ist anders bei Krebspatienten?
Obstipation: Verstopfung
Meteorismus: übermäßige Ansammlung von Darmgasen, mit aufgeblähtem Bauch, eventuell auch Bauchkrämpfen
Flatulenz: Blähungen, bei denen Darmgase abgehen
Laxativum oder Laxans: Abführmittel
Viele Betroffene machen zu Beginn der Krebsbehandlung die gleiche Erfahrung: Mit dem Gang zur Toilette klappt es nicht so wie gewohnt. Sowohl der Rhythmus der Darmentleerung als auch die Beschaffenheit des Stuhls ändern sich.
Was sind die Ursachen? Wer schon immer Probleme mit der Verdauung hatte, ist auch während einer Krebserkrankung anfälliger für Verstopfung. Von einer akuten Obstipation kann allerdings jeder betroffen sein – also auch Krebspatienten, die bisher keine Probleme mit der Verdauung hatten.
Denn es gibt gerade während der Therapie typische Auslöser: Sie reichen vom allgemein veränderten Tagesablauf über Bewegungsmangel, Ernährungsveränderungen bis hin zu möglichen Nebenwirkungen von Krebsmedikamenten.
Fallen diese Ursachen wieder weg, normalisiert sich auch der Stuhlgang wieder.
Hier zwei typische Beispiele für eine nur kurz anhaltende, akute Verstopfung, die sich bei den meisten Betroffenen nach einiger Zeit wieder legt:
Akute Verstopfung nach einer Operation
Bei sehr vielen Menschen dauert es nach chirurgischen Eingriffen einige Tage, bis der Darm wieder in Schwung kommt. Das gilt auch dann, wenn gar nicht der Bauchraum selbst betroffen ist.
Was kann passieren?
Auslöser sind mögliche Nebenwirkungen einiger Narkose- und Schmerzmedikamente. Wichtig sind aber auch die fehlende Bewegung, das kurzfristiges Fasten vor der OP und die veränderte Ernährung rund um den Eingriff. Akute Schmerzen nach einer Operation können Betroffene ebenfalls daran hindern, ihrem Stuhldrang nachzugeben.
Hinzu kommt: Viele Menschen empfinden es als unangenehm, im Krankenhaus eine Gemeinschaftstoilette, einen Toilettenstuhl oder gar eine Bettpfanne nutzen zu müssen. Der Stuhldrang wird deshalb aus Schamgefühl unterdrückt.
Was hilft?
Sprechen Sie mit den zuständigen Ärzten und Pflegefachleuten darüber – Verstopfung ist kein Tabuthema. Die Fachleute können abschätzen, ob und wann sich Ihre Verdauung von alleine wieder normalisiert. Wenn nötig, erhalten Sie kurzfristig Abführmittel: Sie können die Entleerung erleichtern und weniger schmerzhaft machen.
Möglicherweise haben die Pflegekräfte auch eine Idee, wie sich die Intimsphäre besser wahren lässt, solange Sie nicht alleine auf die Toilette gehen dürfen.
Akute Verstopfung durch Flüssigkeitsmangel
Was kann passieren?
Fieber und Infektionen und sogar Hitzewallungen, bei denen man stark schwitzt, Erbrechen oder Probleme mit Essen und Trinken – jeder Flüssigkeitsmangel kann zu Verstopfung führen.
Was hilft?
Die wichtigste Maßnahme ist, ausreichend zu trinken. Und wenn das im Moment nicht geht?
Ausgeprägte Austrocknung kann bei Krebskranken noch zu anderen, weit schwerwiegenderen Problemen als einer Verstopfung führen. Dazu gehören etwa Herz-Kreislauf- oder Nierenprobleme.
Daher werden die zuständigen Ärzte und Pflegekräfte bei Bedarf kurzfristig Flüssigkeit per Infusion geben. Die meisten Patienten bekommen einen solchen "Tropf" in die Vene, zum Beispiel rund um eine Operation oder auch bei anderen Untersuchungen und Therapien, bei denen Trinken zeitweilig nicht erlaubt ist.
Chronische Verstopfung bei Tumorpatienten: Was sind typische Auslöser?
Was ist, wenn sich der Stuhlgang nach einigen Tagen nicht von alleine reguliert? Bei manchen Krebspatienten wird Verstopfung chronisch. Umso belastender ist die Situation, wenn weitere Darmbeschwerden hinzukommen, etwa übermäßige Blähungen.
Für chronische Darmprobleme kann es auch bei Tumorpatienten viele Gründe geben. Dazu gehören Risikofaktoren, die bei Gesunden wie Krebspatienten eine Obstipation fördern: Flüssigkeitsmangel, zu wenig Bewegung und Ernährungsprobleme.
Krebsspezifische Risikofaktoren für Verstopfung kommen hinzu. Hier ein Überblick:
Nebenwirkung mancher Arzneimittel
Viele Arzneimittel können sich auf den Darm auswirken und die Passage der verdauten Nahrung behindern.
Dazu gehören zum Beispiel einige Arzneimittel zur Chemotherapie, etwa die sogenannten Vinca-Alkaloide. Auch Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen oder manche Medikamente gegen Stimmungsschwankungen wirken sich ungünstig aus.
Das wichtigste Beispiel ist die Schmerztherapie. Man weiß, dass manche Schmerzmittel bei fast allen Patientinnen und Patienten zu Verstopfung führen.
Was kann passieren?
Opioide, auch als Opiate oder Morphine bezeichnet, wirken nicht nur gegen Schmerzen. Sie binden auch an Nervenzellen im Darm und lähmen so teilweise die Darmmuskulatur. Der Darminhalt wird nicht mehr ausreichend weiter transportiert. Außerdem hemmen Opioide Drüsen im Magen und in Dick- und Dünndarm. Dadurch befindet sich weniger Flüssigkeit im Darm und der Stuhl wird hart. Zur Verstopfung hinzu kommen bei vielen Betroffenen schmerzhafte Blähungen.
Was hilft?
Von alleine bessern sich diese Probleme meist nicht. Auch Hausmittel reichen oft nicht aus. Vor allem bei den Opioiden gilt: Fast alle Patientinnen und Patienten, die längere Zeit solche Schmerzmittel verwenden, benötigen auch Abführmittel. Man bekommt sie normalerweise gleich zusammen mit den Opioiden verschrieben.
Nervenschäden in Bauchraum, Rückenmark oder Gehirn
Die Bewegungen des gesamten Verdauungstraktes werden durch Nerven gesteuert. Alles, was diese Nerven beeinträchtigt, fördert auch eine sogenannte neurogene Verstopfung.
Was kann passieren?
Auslöser kann die Tumorerkrankung selbst sein: wenn auch Nerven direkt im Bauchbereich oder im Beckenboden betroffen sind, oder auch bei Tumoren in Rückenmark und Gehirn.
Die Behandlung ist ebenfalls ein Risiko: Werden bei Operationen oder Bestrahlungen Nerven verletzt, kann dies die Beweglichkeit des Darmes längerfristig stören.
Manche "neurotoxischen" Chemotherapie-Arzneimittel führen nicht nur zu Nervenschäden an Händen und Füßen. Sie beeinträchtigen auch das vegetative Nervensystem und können den Darm lähmen.
Was hilft?
Man kann es mit einer Ernährungsumstellung und Quellstoffen versuchen. Sie reichen aber bei vielen Betroffenen nicht aus. Ob Abführmittel, Einläufe oder Methoden zur Anregung der Darmtätigkeit helfen, hängt sehr von der individuellen Situation ab, mehr dazu in den folgenden Abschnitten.
Hindernisse in der Magen-Darmpassage
Ileus: Darmverschluss, im weiteren Sinn jede Blockade im Magen-Darm-Trakt
Sub-Ileus: Die Darmpassage ist mehr oder weniger stark behindert, aber noch durchgängig.
Bei Tumoren im Bauchraum kann das Krebsgewebe die Darmpassage einengen. Das geschieht nicht nur bei Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs: Auch andere Krebsarten oder Metastasen können die Darmtätigkeit beeinträchtigen. Der Stuhlgang wird bei Betroffenen nur eingeschränkt bis zum Enddarm transportiert und ausgeschieden.
Was kann passieren?
Die Probleme können sich schleichend entwickeln und zunächst denen einer "normalen" Verstopfung ähneln.
Bei einem vollständigen Darmverschluss wird die Situation allerdings schnell gefährlich.
Mögliche Anzeichen sind außer Schmerzen auch Bauchkrämpfe, auffallendes Gluckern, Plätschern und weitere Darmgeräusche. Relativ typisch sind auch Kreislaufprobleme. Einige Patienten leiden unter Erbrechen oder haben sogar kurzfristig Durchfall, wenn sich der Teil des Darms hinter der Engstelle entleert.
Ärzte achten bei der Untersuchung auch darauf, ob man Bewegungen und Krämpfe des Darms durch die Bauchdecke sehen kann. Beim Abhören erkennen sie einen Unterschied zwischen normalen Darmgeräuschen und Geräuschen, die auf eine Blockade im Darm hindeuten.
Was hilft?
Bei Verdacht auf einen Darmverschluss müssen Ärzte sehr schnell abklären, was die Ursache des sogenannten Ileus ist. Dazu kommen eine Ultraschalluntersuchung und je nach Situation Röntgenaufnahmen oder Computertomographien infrage.
Ist eine Operation oder eine andere Behandlung möglich und sinnvoll? Das hängt von der Tumorerkrankung an sich ab. Wichtig sind aber vor allem die Belastbarkeit und das persönliche Krankheitsstadium.
Verstopfung bei fortgeschrittener Erkrankung
Bei vielen Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung kommen Verdauungsstörungen vor, auch Verstopfung gehört dazu. Sie benötigen auf jeden Fall eine individuelle Behandlung, Pauschalrezepte sind hier nicht angebracht. Wichtige Fakten sind daher in einem eigenen Abschnitt am Ende des Textes zusammengefasst.
Selbst aktiv werden: Was kann man zuhause tun, was sollte man besser lassen?
Über Verdauungsbeschwerden zu sprechen - das ist vielen Menschen unangenehm. Viele versuchen deshalb zunächst, das Problem selbst in den Griff zu bekommen. Genutzt werden zum Beispiel Hausmittel wie eingeweichte Pflaumen, Sauerkrautsaft oder Quellstoffe wie Leinsamen, Flohsamen oder Weizenkleie. Andere greifen zu Abführtees oder rezeptfreien Abführmitteln.
- Für Krebspatienten gilt allerdings: Anhaltende Verstopfung sollte man immer mit Arzt oder Ärztin besprechen.
Dafür gibt es wichtige Gründe. Nicht alle Mittel, die bisher bei einer Verstopfung geholfen haben, sind bei einer Krebserkrankung sinnvoll: Sie verschleiern möglicherweise, dass hinter der Verstopfung ein größeres Problem steht.
Hinzu kommt: Welche Hausmittel bei Verstopfung während der Krebstherapie helfen, ist nicht für alle Krankheitssituationen ausreichend untersucht. Man kann also weder den Nutzen noch mögliche Risiken gut genug einschätzen.
Beispiel Ballaststoffe: Oft gut, manchmal gefährlich
Manche Hausmittel können bei Krebskranken sogar schaden - selbst solche, die bei "normaler" Verstopfung empfehlenswert sind.
Dazu gehören zum Beispiel sehr ballaststoffreiche Lebensmittel, etwa Müsli, oder Quellstoffe wie Leinsamen, Flohsamen oder Weizenkleie. Vielen Krebskranken tun diese Mittel gut, doch: Wenn der Darm geschädigt ist, können Quellstoffe die Darmpassage sogar zusätzlich behindern. Oder sie führen zu schmerzhaften Blähungen. Grundsätzlich sind alle Quellmittel problematisch, wenn man zu wenig dazu trinkt.
Auch rezeptfreie Arzneimittel, die sich bei vielen Menschen in der Hausapotheke finden, können zu unerwünschten Wechselwirkungen mit Medikamenten zur Krebstherapie führen. Die Empfehlung für Krebspatienten lautet daher:
- Werden Sie nicht selbst aktiv, ohne vorher mit Ihren Ärzten gesprochen zu haben.
Diese können beurteilen, ob sich bei Ihnen sanfte Methoden oder frei verkäufliche Medikamente zur Abhilfe bei Verstopfung eignen.
Wenn es die Krankheitssituation erlaubt: Passen Sie Ihren Lebensstil an
Was für Sie selbst wichtig ist: Achten Sie auf Dinge, die Ihnen ganz allgemein guttun. Nicht alles lässt sich schon gleich während einer Krebstherapie umsetzen. Doch spätestens dann, wenn es Ihnen wieder besser geht, können Sie durch einen allgemein gesunden Lebensstil viel für sich tun.
Lebensmittel, Getränke: Ernähren Sie sich ausgewogen, wenn möglich ballaststoffreich, aber nur, sofern Ihre Ärzte nichts dagegen haben. Trinken Sie genug.
Wenn Sie unsicher sind, was Ihnen guttut und was nicht, oder wenn Sie Probleme damit haben, ein normales Körpergewicht zu halten, empfehlen Fachleute auch eine professionelle Ernährungsberatung. Ansprechpartner können Ärzte oder Krankenkassen vermitteln.
Tipps dazu bieten wir in den Texten zu "Essen und Trinken bei einer Krebserkrankung".
Bewegung: Bewegen Sie sich so viel, wie es Ihnen Ihre Ärzte erlauben. Ob Sie Bewegung in Ihren Alltag integrieren oder gezielt Sport machen, ist weniger wichtig.
Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie nach, welche Art von Training für Sie passend ist, und wie viel Sie sich zumuten dürfen. Auch hier kann der Arzt am besten abschätzen, was guttut und was schadet. Und er kann bei Bedarf auch eine Verordnung ausstellen: Patienten, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, können Bewegungsübungen unter Anleitung von Physiotherapeuten machen.
Hintergründe bietet der Text "Bewegung und Sport bei Krebs".
Vorbeugen und gezielt behandeln: Wie helfen die Ärzte bei Verstopfung?
Müssen Ärzte immer gleich Abführmittel verordnen? Gibt es schonende Alternativen?
Hier verlassen sich auch Fachleute auf Erfahrungswissen. Wirklich gut belegt ist der Nutzen der folgenden Tipps nicht - fragen Sie Ihre Ärzte, was Sie sich in Ihrer persönlichen Situation erwarten können:
- Manchen Betroffenen nutzen Wärmflaschen und feuchte Wickel, nicht nur gegen Verstopfung, sondern auch gegen quälende Blähungen.
- Andere machen Bauchmassagen, um ihre Darmtätigkeit anzuregen.
Was man nicht unterschätzen sollte: die Rahmenbedingungen. Wenn es mit der Verdauung immer mal wieder nicht klappt, hilft es vielen Menschen,
- immer den gleichen Zeitpunkt für den Gang zur Toilette zu wählen, etwa nach dem Frühstück,
- sich ausreichend Zeit zu nehmen und sich nicht stören zu lassen.
Bei vielen Krebspatienten können solche sanften Maßnahmen langfristigen Stuhlproblemen vorbeugen.
Was ist mit Einläufen?
Bei schwer kranken, gelähmten oder kaum beweglichen Krebspatienten können auch Einläufe oder Spülungen helfen, mit oder ohne Zusatz von abführenden Medikamenten. Auch für Betroffene mit einem Dickdarm-Stoma ist eine Darmspülung eine Möglichkeit, Verdauungsprobleme in den Griff zu bekommen.
Ohne Rücksprache sollte man aber auch hier nicht tätig werden:
Einläufe sind nicht ganz ohne Risiko. Bei der Anwendung ist Vorsicht geboten, um Verletzungen zu vermeiden, insbesondere, wenn eine erhöhte Blutungsneigung besteht oder man an Hämorrhoiden leidet. Eher nicht geeignet sind Einläufe für Betroffene, die erst kürzlich am Darm oder allgemein im Unterleib operiert oder bestrahlt wurden, oder bei denen Infektionen und Entzündungen im Verdauungstrakt nicht sicher ausgeschlossen werden können.
Nicht zu lange warten
Es gibt Situationen, in denen sanfte Maßnahmen oder Lebensstiländerungen auf keinen Fall ausreichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn anhaltende Verstopfung als Nebenwirkung einer Krebstherapie auftritt, vor allem bei einer Schmerztherapie mit Opioiden.
Auch für Betroffene mit einer weit fortgeschritten Erkrankung reichen die genannten Möglichkeiten meist nicht aus.
- Dann werden Ihre Ärzte zu abführenden Arzneimitteln raten.
Nicht alle Abführmittel sind geeignet
Bei hartnäckiger Verstopfung helfen Abführmittel. Sie machen in der Regel nicht abhängig. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, was Ihnen hilft und nicht schadet.
Wirken Abführmittel nicht alle gleich? Warum kann man nicht einfach zu Abführtees oder frei verkäuflichen Mittel greifen, die man vielleicht schon in der Hausapotheke hat? Bei einer Krebserkrankung sollten die Ärzte entscheiden, was man nimmt. Nicht alle Abführmittel eignen sich in jeder Situation.
Deshalb berücksichtigen die Mediziner den aktuellen Gesundheitszustand. Und sie achten darauf, welche Arzneimittel man sonst noch einnimmt, damit es nicht zu unerwünschten Wechselwirkungen kommt.
Vor einer Abhängigkeit von Abführmitteln muss man bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Angst haben. Bessert sich der allgemeine Gesundheitszustand, kommen viele Krebspatientinnen und Krebspatienten auch wieder ohne Medikamente aus.
Vorbeugend Abführmittel einnehmen – ist das sinnvoll?
Davon raten Fachleute eher ab - bis auf einige wenige Ausnahmen: wenn von vornherein klar ist, dass die Therapie zu einer Obstipation führen wird.
Das wichtigste Beispiel sind Schmerztherapien mit Opioiden. Hier gehört die Verordnung geeigneter Laxativa von vornherein hinzu.
Abführmittel, Einläufe und weitere Verdauungshilfen: Wie wirken sie?
Abführmittel beschleunigen die Darmentleerung. Der Fachbegriff für solche Mittel lautet Laxans, in der Mehrzahl Laxanzien (auch "Laxantien" oder "Laxantia" geschrieben) oder Laxativum, Mehrzahl Laxativa.
Als zugelassene Arzneimittel sind in Deutschland viele verschiedene Produkte verfügbar, die jeweils unterschiedliche Wirkmechanismen haben. Manche werden auf pflanzlicher Basis hergestellt, andere nicht. Es gibt Kombinationen mehrerer Substanzen. Andere Medikamente enthalten nur einen Wirkstoff.
Allerdings gilt auch:
- Nicht alle verfügbaren Abführmittel sind für Krebspatienten sinnvoll.
- Das gilt auch für rein pflanzliche Produkte – nur weil sie natürlichen Ursprungs sind, sind sie keineswegs immer sanft und harmlos. Einige dieser Stoffe mit abführender Wirkung gehören in konzentrierter Form sogar zu den starken natürlichen Giften.
Wie wendet man Abführmittel am besten an?
Erhältlich sind Abführmittel als Tabletten, Lutschpastillen oder Dragees; es gibt aber auch Tropfen, Sirup, Lösungen oder Pulver zum Auflösen in Flüssigkeit. Einige Wirkstoffe sind auch als Zäpfchen oder Klistier zum Einführen in den Enddarm verfügbar. Einige enthalten natürliche Quellstoffe, und man kann sie unter Getränke, Suppen oder sonstige Speisen mischen.
Was hilft besser, Tabletten oder Zäpfchen und Klistiere? Das kommt auf die Schwere der Verstopfung an. Auch die Krankheitssituation zählt: Bei Schwerkranken spielt zum Beispiel eine Rolle, ob sie überhaupt normal schlucken und verdauen können.
- Insgesamt wirken Zäpfchen oder Klistiere meist rascher: Die Wirkstoffe werden direkt von der Schleimhaut des Enddarms aufgenommen.
- Einige Wirkstoffe eignen sich allerdings nur als Tropfen, Kapsel oder Tablette. Oder ihre Wirkung ist besser steuerbar, wenn sie als Tablette geschluckt werden.
Nur bei einer sehr ausgeprägten Verstopfung kommen Infusionen über eine Vene infrage, in der Regel auch nur, wenn die Darmbewegungen eingeschränkt sind. Dazu nutzen Ärzte dann meist sogenannte Prokinetika. Das sind Medikamente, die nicht im engeren Sinn zu den Abführmitteln gehören, sich aber auf die Darmbeweglichkeit auswirken.
Wie wirken die verschiedenen Substanzen im Körper?
Fachleute unterteilen die Laxanzien in verschiede Gruppen, je nachdem, auf welche Weise sie die Darmentleerung fördern. Einige Abführmittel wirken sogar auf mehreren Wegen.
Osmotisch wirksame Abführmittel: Sie sorgen dafür, dass Wasser im Darm zurückgehalten wird. Der Stuhl wird dadurch weicher und die Entleerung leichter. Dazu zählen Substanzen wie Macrogol oder Zuckeralkohole wie Laktitol, Sorbit und Laktulose, die man auch im Haushalt als Zuckeraustauschstoff verwendet.
Auch natürliche Quellmittel wie zum Beispiel Flohsamenschalen oder Leinsamen gehören im weiteren Sinn zu dieser Gruppe.
Daneben gibt es osmotisch wirksame Abführmittel wie Bittersalz oder Glaubersalz. Diese Salze sind für Schwerkranke eher nicht geeignet, so die Autoren einer aktuellen Leitlinie zur unterstützenden Behandlung bei fortgeschrittener Krebserkrankung.
Sekretfördernde, hydragoge und antiresorptive Abführmittel: Diese Mittel führen dazu, dass mehr Wasser in den Darm abgegeben wird (Hydragoga), oder dass der Körper dem Darminhalt weniger Wasser und keine Salze entzieht (Antiresorptiva). Der Effekt ist der gleiche wie bei den osmotischen Abführmitteln, auch die Zeit der Darmpassage verkürzt sich. Zu dieser Medikamentengruppe gehören Natriumpicosulfat und Bisacodyl. Auch pflanzliche Mittel zählen dazu, beispielsweise Rizinusöl, Sennesblätter oder Sennesfrüchte.
Stimulierende und motilitätsfördernde Abführmittel: Diese Wirkstoffgruppe regt die Darmbewegung an. Der Darminhalt wird schneller transportiert. Durch den schnelleren Transport wird ihm so auch weniger Flüssigkeit entzogen, er bleibt weicher und kann besser ausgeschieden werden. Auch Bisacodyl und Natriumpicosulfat sowie einige der bereits genannten pflanzlichen Präparate fördern die Darmbewegung.
Gleitmittel: Sie begünstigen den Weitertransport der Nahrung. Dies gelingt etwa durch Paraffinöl zum Einnehmen, als Zäpfchen oder Klistier. Für Patienten und Patientinnen mit fortgeschrittener Erkrankung sind Gleitmittel weniger geeignet.
Periphere Opioidantagonisten: Für Patienten mit einer schmerzmittelbedingten Verstopfung kommen eventuell besondere Medikamente infrage - aber nur, wenn alle anderen Arzneimittel nicht helfen: Sie binden an Nervenzellen im Darm und blockieren dort die Opiate. Die gewünschte schmerzlindernde Wirkung wird dadurch nicht beeinträchtigt. Eingesetzte Medikamente sind Naloxon oder Methylnaltrexon.
Weitere Arzneimittel: Zu den Medikamenten gegen extrem schwere Verstopfung zählen beispielsweise Amidotrizoeessigsäure, Prostigmin, Erythromycin und Prucaloprid. Sie sind eigentlich keine Abführmittel, sondern haben einen starken darmstimulierenden Effekt.
Die entsprechenden Arzneimittel werden per Infusion gegeben und kommen in der Regel nur infrage, wenn man stationär in einem Krankenhaus behandelt und dort entsprechend überwacht wird.
Welche Nebenwirkungen haben Abführmittel?
Einige Nebenwirkungen sind bei den meisten Abführmitteln nicht auszuschließen, selbst wenn die Medikamente richtig dosiert werden.
Vorübergehend kann es zu:
- dünnflüssigem Stuhl oder Durchfall,
- Blähungen oder krampfartigen Beschwerden kommen.
Weitere Nebenwirkungen sind seltener, aber nicht ausgeschlossen.
Dazu gehören vor allem:
- größere Veränderungen im Wasser-Salz-Haushalt.
Andere Folgen hängen eher von der jeweils genutzten Substanzgruppe ab.
Bei körperlicher Schwäche: Darmausräumung
Bei Schwerkranken kommt es gelegentlich vor, dass der Darm aus eigener Kraft nicht entleert werden kann. Wenn gegen diese Schwäche nichts anderes hilft, werden Ärzte oder Pflegefachleute versuchen, den Enddarm mit den Fingern auszuräumen (manuelle Darmentleerung).
Da dies weh tut oder zumindest sehr unangenehm ist, erhält man in der Regel vorher ein Schmerzmittel.
Verstopfung bei fortgeschrittener Krebserkrankung: Individuelle Lösungen finden
Studien geben an, dass mindestens drei von zehn Patienten mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung unter Verstopfung leiden. Nach anderen Angaben sind es sogar acht von zehn Betroffenen, bei Behandlung mit Opiaten sogar neun von zehn. Bei vielen Betroffenen kommen mehrere der möglichen Auslöser zusammen:
Opiode: Viele Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung erhalten entsprechende Schmerzmittel. Je nach Situation sind auch noch weitere Medikamente unvermeidlich, die die Verstopfung verstärken.
Flüssigkeitsmangel, Ernährungsmängel: Viele Betroffene können und wollen nicht mehr viel trinken und essen. Die Folge: Ihr Darm ist zu wenig gefüllt, um den zu trockenen Darminhalt weiter zu transportieren. Hinzu kommt Flüssigkeitsmangel. Erbrechen und Fieber entziehen dem Körper zusätzlich Flüssigkeit.
Bewegungsmangel verschärft das Problem, vor allem bei bettlägerigen Betroffenen.
Körperliche Schwäche, Atemnot: Manchen schwerkranken Patienten fehlt irgendwann auch einfach die Kraft, auf die Toilette zu gehen, oder sie geraten beim Pressen zur Darmentleerung in Luftnot.
Probleme mit dem Mineralstoffhaushalt: Bei einer fortgeschrittenen Erkrankung kann sich nicht nur der Flüssigkeitsbedarf des Körpers verändern, auch der Mineralstoffhaushalt gerät bei vielen Betroffenen aus dem Gleichgewicht.
Tumoren im Bauchraum und Aszites: Metastasen sowie Flüssigkeit im Bauchraum, eine sogenannte Aszites, können die Darmbeweglichkeit einschränken.
Diese Formen der Verstopfung bei Schwerkranken sind nicht mit den Verdauungsproblemen vergleichbar, wie sie bei vielen gesunden Menschen gelegentlich auftreten. Insbesondere die Symptome der chronischen Verstopfung können sich von Patient zu Patient unterscheiden und sich auch im weiteren Verlauf der Erkrankung verändern:
- Manche Betroffenen haben auffallend wenige oder aber untypische Beschwerden. Bei anderen zeigt sich lediglich allgemeines Unwohlsein.
- Bei manchen steht eher die Darmträgheit im Vordergrund. Andere verspüren Stuhldrang, haben aber Probleme mit der tatsächlichen Darmentleerung.
- Schwere Verstopfung kann sich bei manchen Betroffenen auch mit Durchfällen abwechseln.
- In der letzten Lebensphase kommt die Darmtätigkeit bei fast allen Menschen ganz zum Erliegen.
Wie kann man klären, was die richtige Behandlung ist?
Pauschalrezepte gibt es keine – die Behandlung muss auf die individuelle Situation abgestimmt werden. Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren im Verdauungstrakt haben andere Bedürfnisse als Patienten, die vor allem wegen Ernährungsproblemen, Bewegungsmangel oder körperlicher Schwäche Ärger mit der Verdauung bekommen.
Wie kann man vorgehen, um eine Lösung zu finden? Folgende Frage steht am Anfang: Macht die Verstopfung überhaupt Beschwerden?
- Beeinträchtigt eine hartnäckige Verstopfung die Lebensqualität? Dann werden die behandelnden Ärzte nach Abhilfe suchen.
- In der letzten Lebensphase kann das anders aussehen: Wenn die Obstipation nicht belastet, muss man auch nichts dagegen tun.
Was kann man tun, wenn ein Darmverschluss droht?
Eine Operation würden nur sehr wenige Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung verkraften. Die Ärzte werden versuchen, zunächst die Symptome zu behandeln, zum Beispiel durch Arzneimittel gegen Übelkeit und Erbrechen oder Schmerzen.
Ebenfalls möglich sind bei einem teilweisen Verschluss Medikamente, die die Darmbewegungen fördern. Bei einem kompletten Darmverschluss geht dies nicht. Dann wären eher Medikamente möglich, die die Darmbewegung stoppen, um die Beschwerden zu lindern.
Wenn es die Erhaltung der Lebensqualität fördert, können sich Patientinnen und Patienten mit Darmverschluss auch für Infusionen zur Versorgung mit Flüssigkeit und Nährstoffen entscheiden.
Wenn keine Gefahr eines Darmverschlusses droht: Welche abführenden Maßnahmen eignen sich?
Unregelmäßiger Stuhlgang und Verstopfung müssen bei Schwerkranken nur behandelt werden, wenn sie Beschwerden machen.
Auch hier orientiert sich die Behandlung an der Lebensqualität und der Krankheitssituation. Experten empfehlen, je nach Situation auch verschiedene Herangehensweisen nacheinander zu testen oder sie miteinander zu kombinieren:
Sofern möglich, kann man es mit einer Ernährungsumstellung versuchen – aber nur, wenn dadurch die Lebensqualität nicht leidet. Deshalb sollte man hier eher vorsichtig sein: Viele Schwerkranke vertragen zum Beispiel keine sehr ballaststoffreichen Lebensmittel, oder sie schaffen es nicht, ausreichend dazu zu trinken.
Auch gezielte Bewegung mit Unterstützung von Physiotherapeuten sowie Darmmassagen helfen manchen Betroffenen.
Wenn es nicht ohne Arzneimittel geht: Fachleute raten dazu, osmotisch wirksame Abführmittel einzusetzen, und/oder Mittel, die den Darm stimulieren. Einige Abführmittel aus diesen Gruppen kommen allerdings nicht infrage, zum Beispiel Bittersalz oder Glaubersalz. Auch Paraffinöl sollte bei Schwerkranken nicht eingesetzt werden.
Quellen und Links für Interessierte und Fachkreise
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Fachliteratur und Links (Quellen)
Leitlinien
Die aktuellen lokalisationsbezogenen Leitlinien zur Onkologie gehen zwar meist nicht detailliert auf das Thema Obstipation oder gastrointestinale Motilitätsstörungen bei Krebspatienten ein. Sie bieten aber zumindest Hinweise auf die Relevanz des Themas sowie weiterführende Literatur.
- Leitlinien-Überblick: Einen Einstieg erlaubt die Suchseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) unter www.awmf.org/leitlinien.
- S3-Leitlinie "Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung": Diesen Text finden Interessierte und Fachleute unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/128-001OL.html. Er entstand im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF), federführende Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. (DGP, www.dgpalliativmedizin.de). Die Leitlinie ist unter dem gleichen Link auch in einer Fassung für Patienten abrufbar.
- S2k-Leitlinie "Chronische Obstipation": Sie nimmt nicht unmittelbar auf die Situation von Krebspatienten Bezug, kann aber Anhaltspunkte für die Beratung ehemals Erkrankter bieten, mehr unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-019.html.
- Pflegeleitlinien zu "Obstipation" und "Ernährung": Diese Texte sind abrufbar unter www.dgpalliativmedizin.de/pflege/pflegeleitlinien.html. Sie werden herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.
- Europäische Leitlinien (Auswahl): Für die Fachgesellschaft "European Society for Medical Oncology (ESMO) haben Experten ebenfalls eine Leitlinie veröffentlicht, unter Larkin PJ, Cherny N I, La Carpia D, Guglielmo M, Ostgathe C, Scotté F, Ripamonti CI. ESMO Guidelines Committee; Diagnosis, assessment and management of constipation in advanced cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines, Annals of Oncology, online 17.7.2018, mdy148, doi.org/10.1093/annonc/mdy148
Arzneimittelinformationen
Als Quelle für Aussagen zu Medikamenten hat der Krebsinformationsdienst aktuelle Fachinformationen der Hersteller herangezogen (über www.fachinfo.de für Fachkreise zugänglich), weiter Arzneimittelinformationen in deutschen Datenbanken (vor allem www.pharmnet.bund.de), aktuelle Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte unter www.bfarm.de, sowie die Informationen der EU-Arzneimittelbehörde EMA unter www.ema.europa.eu/ema.
Zur Opioid-bedingten Obstipation informiert die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) unter www.akdae.de, zum Beispiel unter www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201601/021h/index.php: Andresen V, Wedel T. Opioidinduzierte Obstipation. Arzneiverordnung in der Praxis, Band 43, Heft, Januar 2016.
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Erstellt: 02.07.2018
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