Archiv

Aktuelles Thema: Seeds - Strahlenrisiko für andere Menschen?

Die Brachytherapie ist eine sogenannte Kurzdistanz-Strahlenbehandlung: Anstelle einer konventionellen Strahlentherapie "von außen" wird strahlendes Material in die Nähe des Tumors gebracht. Dazu kann man sogenannte Seeds verwenden, winzige radioaktive Metallteilchen. Ein Beispiel ist die Brachytherapie bei Prostatakrebs: Hierbei werden die Seeds direkt in die erkrankte Vorsteherdrüse eingelegt. Das ist meist wenig belastend, und viele Patienten können kurz nach dem Eingriff wieder nach Hause. Ist die Strahlung erst einmal abgeklungen, verbleiben die winzigen Seeds auf Dauer gefahrlos im Körper. Doch wie sieht es in der Zwischenzeit aus, solange die Teilchen noch strahlen? Welches Risiko besteht in der Zeit unmittelbar nach dem Einlegen der Seeds für Angehörige? Gelten für Schwangere und Kinder im persönlichen Umfeld eines Patienten besondere Vorsichtsmaßnahmen? Diesen Fragen geht der Krebsinformationsdienst anhand einer aktuellen E-Mail-Anfrage nach.

Quellen und Links

Interessierte und Fachleute finden am Ende des Textes weiterführende Informationen und Quellen.



Großvater mit Enkelin © Ana Blazic Pavlovic - Fotolia.com
© Ana Blazic Pavlovic - Fotolia.com

Vielen Dank für Ihre E-Mail an den Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums. Wie Sie schreiben, werden bei Ihrem Vater zur Behandlung von Prostatakrebs Seeds implantiert.
Gerne stellen wir Ihnen Hintergrundinformation dazu zusammen, wie lange Ihr Vater wegen der Strahlung vorsichtig beim Umgang mit Ihrer Tochter sein sollte. Diese Informationen ersetzen allerdings nicht ein Gespräch Ihres Vaters mit seinen behandelnden Ärzten: Wann genau Ihr Vater die Seeds erhalten hat, spielt für die Abschätzung des Risikos ebenso eine Rolle wie die Messungen zur Strahlung, die seine Ärzte bei ihm vor der Entlassung vornehmen werden. Vermutlich hat er vor der Seeds-Behandlung wichtige Auskünfte zum Umgang mit anderen Menschen erhalten, von denen er Ihnen berichten kann. Falls er trotzdem unsicher ist, wie er sich zuhause und mit Ihrer kleinen Tochter verhalten soll: Er kann auf jeden Fall noch einmal nachfragen, welche Vorsichtsmaßnahmen notwendig sind und wie lange.

Lexikon

Brachytherapie: Kurzdistanz-Strahlentherapie, bei der die Strahlenquelle ganz nah an den Tumor herangebracht wird; die Brachytherapie kann mit Afterloading oder durch dauerhaftes Einbringen von Strahlenquellen (Seeds) in den Tumor erfolgen.

Die Seeds-Implantation ist eine Form der Brachytherapie. Konkret handelt es sich meist um die dauerhafte Einlage kleiner Strahlenquellen in oder um einen Tumor, zum Beispiel wie bei Ihrem Vater in eine Geschwulst der Prostata. In Deutschland verwenden Ärzte gegen Prostatakarzinome in der Regel winzige Metallkapseln, die mit Jod-125 gefüllt sind.
Das Strahlenrisiko für die Umwelt, nachdem Sie sich erkundigen, besteht überhaupt nur bei solchen "Dauer-Seeds". Sie bleiben im Körper und wirken so lange, bis die Strahlung abgeklungen ist. Bei einer anderen, nur zeitweiligen Form der Brachytherapie, besteht für Verwandte und Freunde gar kein Risiko: Beim "Afterloading" bleiben die Strahlenquellen nur kurz im Körper und werden dann wieder entfernt. Solange sind die Patienten im Krankenhaus.

Brachytherapie bei Prostatakrebs: Strahlung ist gering

Seeds: Strahlenrisiko für Angehörige?

Generell wird kein Patient mit Seeds entlassen, der für seine Angehörigen ein Risiko darstellen würde. In der ersten Zeit zuhause sollte man sehr engen körperlichen Kontakt mit Kindern oder Schwangeren trotzdem vermeiden. Patienten müssen sich aber nicht isolieren: Besuche, die Begrüßung mit Handschlag oder Umarmung, oder der Aufenthalt im selben Zimmer sind selbst direkt nach der Behandlung normalerweise kein Problem. Einzelheiten erläutern die Ärzte.

Der Vorteil der Brachytherapie mit Seeds: Die Strahlung von Jod-125 hat eine Reichweite von nur wenigen Millimetern. Sie wirkt daher überwiegend auf den Tumor. Schon an der Körperoberfläche von Patienten ist kaum noch Abstrahlung messbar. Die beim Zerfall des radioaktiven Jods frei werdende Energie wird vom Gewebe so stark abgebremst, dass kaum noch etwas nach außen kommt. Die Strahlung hält zudem nur wenige Wochen an: Das Isotop hat mit 60 Tagen eine vergleichsweise kurze Halbwertszeit. Das bedeutet, dass nach 60 Tagen die Hälfte der strahlenden Substanz zerfallen ist. Nach sechs Monaten beträgt die Strahlung noch etwa ein Zehntel.

Für weitere Sicherheit sorgen Vorsichtsmaßnahmen bei und nach dem Einsetzen: Wo genau die Seeds platziert wurden, und ob sie vier bis sechs Wochen nach dem Eingriff noch an Ort und Stelle sind, lässt sich gut im Ultraschall und bei Computertomographien kontrollieren. So wird sichergestellt, dass keines der winzigen strahlenden Teilchen verloren geht oder im Körper zu wandern beginnt. Während und nach der Seeds-Implantation messen die behandelnden Ärzte außerdem die Strahlung, die ein Patient nach außen abgibt. Aus dem Krankenhaus wird man erst dann entlassen, wenn die Strahlung soweit zurückgegangen ist, dass Personen im Umfeld nicht gefährdet sind.

Vorsichtsmaßnahmen für Patienten

Gefahrensymbol für Radioaktivität © Cary Bass, http://commons.wikimedia.org
© Cary Bass, http://commons.wikimedia.org

Was gilt nach der Entlassung für den Umgang mit Angehörigen? Eine Umarmung oder das Aufhalten im gleichen Raum sind in der Regel unproblematisch. Ihr Vater kann seine Enkeltochter auch ruhig kurz auf den Arm nehmen. Um höchstmögliche Sicherheit zu erreichen, raten Fachleute jedoch, Kleinkinder in den ersten zwei bis drei Monaten nach der Seed-Implantation nicht auf dem Schoß sitzen zu lassen. Außerdem raten sie, in dieser Zeit zu Schwangeren einen Abstand von etwa einem Meter einzuhalten. Danach ist ein so großer Teil des radioaktiven Materials zerfallen, dass bei den meisten Patienten von einer Gefährdung Dritter nicht mehr auszugehen ist.

Wir würden uns freuen, wenn wir Ihnen mit diesen Hinweisen weiterhelfen konnten. Sprechen Sie mit Ihrem Vater, wenn er das erste Mal zu Besuch kommt, und fragen Sie ihn nach den Vorgaben, die er von seinen Ärzten erhalten hat. Falls notwendig, sollte Ihr Vater sich nicht scheuen, sich mit der Frage nach einem Risiko durch Streustrahlung nochmals an seinen behandelnden Arzt zu wenden. Dieser berät nicht nur bei Fragen zur Therapie im engeren Sinne. Er ist auch ein geeigneter Ansprechpartner für krebsbezogene Alltagsfragen, die für die Lebensqualität von Krebspatienten wesentlich sind.





Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) │ Autoren/Autorinnen: Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Lesen Sie mehr über die Verantwortlichkeiten in der Redaktion.

powered by webEdition CMS