Die Brachytherapie ist eine sogenannte Kurzdistanz-Strahlenbehandlung: Anstelle einer konventionellen Strahlentherapie "von außen" wird strahlendes Material in die Nähe des Tumors gebracht. Dazu kann man sogenannte Seeds verwenden, winzige radioaktive Metallteilchen. Ein Beispiel ist die Brachytherapie bei Prostatakrebs: Hierbei werden die Seeds direkt in die erkrankte Vorsteherdrüse eingelegt. Das ist meist wenig belastend, und viele Patienten können kurz nach dem Eingriff wieder nach Hause. Ist die Strahlung erst einmal abgeklungen, verbleiben die winzigen Seeds auf Dauer gefahrlos im Körper. Doch wie sieht es in der Zwischenzeit aus, solange die Teilchen noch strahlen? Welches Risiko besteht in der Zeit unmittelbar nach dem Einlegen der Seeds für Angehörige? Gelten für Schwangere und Kinder im persönlichen Umfeld eines Patienten besondere Vorsichtsmaßnahmen? Diesen Fragen geht der Krebsinformationsdienst anhand einer aktuellen E-Mail-Anfrage nach.
Quellen und Links
Interessierte und Fachleute finden am Ende des Textes weiterführende Informationen und Quellen.
"Bei meinem Vater wurde Prostatakrebs diagnostiziert. Er soll heute Seeds mit radioaktivem Jod implantiert bekommen. Dafür hat er sich anstelle einer normalen Bestrahlung entschieden, weil er nicht so oft ins Krankenhaus muss. Unser Problem: Wir haben eine fünf Monate alte Tochter. Wir stellen uns nun die Frage, ab wann mein Vater wieder "normal" mit seiner Enkelin umgehen kann. Er hat sie zum Beispiel gerne mal gefüttert, wenn er zu Besuch war. Kann er das Kind jetzt überhaupt noch auf den Schoß nehmen? Oder ist das zu gefährlich? Ab wann sind die Seeds nicht mehr riskant für das Kind?"
Vielen Dank für Ihre E-Mail an den Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums. Wie Sie schreiben, werden bei Ihrem Vater zur Behandlung von Prostatakrebs Seeds implantiert.
Gerne stellen wir Ihnen Hintergrundinformation dazu zusammen, wie lange Ihr Vater wegen der Strahlung vorsichtig beim Umgang mit Ihrer Tochter sein sollte. Diese Informationen ersetzen allerdings nicht ein Gespräch Ihres Vaters mit seinen behandelnden Ärzten: Wann genau Ihr Vater die Seeds erhalten hat, spielt für die Abschätzung des Risikos ebenso eine Rolle wie die Messungen zur Strahlung, die seine Ärzte bei ihm vor der Entlassung vornehmen werden. Vermutlich hat er vor der Seeds-Behandlung wichtige Auskünfte zum Umgang mit anderen Menschen erhalten, von denen er Ihnen berichten kann. Falls er trotzdem unsicher ist, wie er sich zuhause und mit Ihrer kleinen Tochter verhalten soll: Er kann auf jeden Fall noch einmal nachfragen, welche Vorsichtsmaßnahmen notwendig sind und wie lange.
Brachytherapie: Kurzdistanz-Strahlentherapie, bei der die Strahlenquelle ganz nah an den Tumor herangebracht wird; die Brachytherapie kann mit Afterloading oder durch dauerhaftes Einbringen von Strahlenquellen (Seeds) in den Tumor erfolgen.
Die Seeds-Implantation ist eine Form der Brachytherapie. Konkret handelt es sich meist um die dauerhafte Einlage kleiner Strahlenquellen in oder um einen Tumor, zum Beispiel wie bei Ihrem Vater in eine Geschwulst der Prostata. In Deutschland verwenden Ärzte gegen Prostatakarzinome in der Regel winzige Metallkapseln, die mit Jod-125 gefüllt sind.
Das Strahlenrisiko für die Umwelt, nachdem Sie sich erkundigen, besteht überhaupt nur bei solchen "Dauer-Seeds". Sie bleiben im Körper und wirken so lange, bis die Strahlung abgeklungen ist. Bei einer anderen, nur zeitweiligen Form der Brachytherapie, besteht für Verwandte und Freunde gar kein Risiko: Beim "Afterloading" bleiben die Strahlenquellen nur kurz im Körper und werden dann wieder entfernt. Solange sind die Patienten im Krankenhaus.
Brachytherapie bei Prostatakrebs: Strahlung ist gering
Generell wird kein Patient mit Seeds entlassen, der für seine Angehörigen ein Risiko darstellen würde. In der ersten Zeit zuhause sollte man sehr engen körperlichen Kontakt mit Kindern oder Schwangeren trotzdem vermeiden. Patienten müssen sich aber nicht isolieren: Besuche, die Begrüßung mit Handschlag oder Umarmung, oder der Aufenthalt im selben Zimmer sind selbst direkt nach der Behandlung normalerweise kein Problem. Einzelheiten erläutern die Ärzte.
Der Vorteil der Brachytherapie mit Seeds: Die Strahlung von Jod-125 hat eine Reichweite von nur wenigen Millimetern. Sie wirkt daher überwiegend auf den Tumor. Schon an der Körperoberfläche von Patienten ist kaum noch Abstrahlung messbar. Die beim Zerfall des radioaktiven Jods frei werdende Energie wird vom Gewebe so stark abgebremst, dass kaum noch etwas nach außen kommt. Die Strahlung hält zudem nur wenige Wochen an: Das Isotop hat mit 60 Tagen eine vergleichsweise kurze Halbwertszeit. Das bedeutet, dass nach 60 Tagen die Hälfte der strahlenden Substanz zerfallen ist. Nach sechs Monaten beträgt die Strahlung noch etwa ein Zehntel.
Für weitere Sicherheit sorgen Vorsichtsmaßnahmen bei und nach dem Einsetzen: Wo genau die Seeds platziert wurden, und ob sie vier bis sechs Wochen nach dem Eingriff noch an Ort und Stelle sind, lässt sich gut im Ultraschall und bei Computertomographien kontrollieren. So wird sichergestellt, dass keines der winzigen strahlenden Teilchen verloren geht oder im Körper zu wandern beginnt. Während und nach der Seeds-Implantation messen die behandelnden Ärzte außerdem die Strahlung, die ein Patient nach außen abgibt. Aus dem Krankenhaus wird man erst dann entlassen, wenn die Strahlung soweit zurückgegangen ist, dass Personen im Umfeld nicht gefährdet sind.
Vorsichtsmaßnahmen für Patienten
Was gilt nach der Entlassung für den Umgang mit Angehörigen? Eine Umarmung oder das Aufhalten im gleichen Raum sind in der Regel unproblematisch. Ihr Vater kann seine Enkeltochter auch ruhig kurz auf den Arm nehmen. Um höchstmögliche Sicherheit zu erreichen, raten Fachleute jedoch, Kleinkinder in den ersten zwei bis drei Monaten nach der Seed-Implantation nicht auf dem Schoß sitzen zu lassen. Außerdem raten sie, in dieser Zeit zu Schwangeren einen Abstand von etwa einem Meter einzuhalten. Danach ist ein so großer Teil des radioaktiven Materials zerfallen, dass bei den meisten Patienten von einer Gefährdung Dritter nicht mehr auszugehen ist.
Wir würden uns freuen, wenn wir Ihnen mit diesen Hinweisen weiterhelfen konnten. Sprechen Sie mit Ihrem Vater, wenn er das erste Mal zu Besuch kommt, und fragen Sie ihn nach den Vorgaben, die er von seinen Ärzten erhalten hat. Falls notwendig, sollte Ihr Vater sich nicht scheuen, sich mit der Frage nach einem Risiko durch Streustrahlung nochmals an seinen behandelnden Arzt zu wenden. Dieser berät nicht nur bei Fragen zur Therapie im engeren Sinne. Er ist auch ein geeigneter Ansprechpartner für krebsbezogene Alltagsfragen, die für die Lebensqualität von Krebspatienten wesentlich sind.
Zum Weiterlesen
Weitere Informationen zur Brachytherapie beim Prostatakarzinom hat der Krebsinformationsdienst in seinem Text "Prostatakarzinom, Therapieverfahren: Bestrahlung" zusammengestellt.
Einen allgemeinen Überblick bietet der Text "Strahlentherapie: Techniken und Anwendungsbeispiele".
Wie hoch ist die Strahlenbelastung für gesunde Menschen in Deutschland normalerweise? Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt die durchschnittliche Belastung aus der Umwelt derzeit mit etwa insgesamt 2,1 Millisievert pro Jahr an. Je nach Wohnort, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten oder Beruf kann die Strahlenexposition aber schwanken. Mehr zum Thema finden Interessierte auch im Text "Radioaktivität und Strahlung".
Für Fragen steht der Krebsinformationsdienst unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 - 420 30 40 täglich von 8.00 bis 20.00 Uhr zur Verfügung, oder per E-Mail an krebsinformationsdienst@dkfz.de. Ein Kontaktformular bietet eine sichere Verbindung. Auf Facebook informiert der Dienst unter www.facebook.de/krebsinformationsdienst.
Weiterführende Informationen und Quellen für Interessierte und Fachleute (Auswahl)
Wie Mensch und Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung zu schützen sind, regelt in Deutschland die Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen, kurz Strahlenschutzverordnung oder StrlSchV, abrufbar unter www.gesetze-im-internet.de/strlschv_2001/index.html.
Die Umsetzung in Bezug auf den Strahlenschutz in der Medizin regelt die Richtlinie "Strahlenschutz in der Medizin". Sie ist als PDF-Datei abrufbar unter www.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/rl_strlschv_strlschmed_bf.pdf.
Die Strahlenschutzkommission (SSK) informiert über die Strahlenexposition in der Medizin unter www.ssk.de/DE/Beratungsergebnisse/MedizinundStrahlenschutz/medizinundstrahlenschutz_node.html und über Strahlenschutztechniken unter www.ssk.de/DE/Beratungsergebnisse/Strahlenschutztechnik/strahlenschutztechnik_node.html.
Die jeweils aktuellen ärztlichen Leitlinien zu Prostatakrebs sind in Deutschland bei der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften abrufbar, unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-022OL.html.
An Betroffene richtet sich die Patientenleitlinie "Prostatakarzinom: Lokal begrenztes Prostatakarzinom". Ein PDF kann hier geladen werden: www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-022OLp2_S3_Prostatakarzinom_2011.pdf. Weiteres kostenlos erhältliches Informationsmaterial zur Behandlung von Prostatakrebs hat der Krebsinformationsdienst in seiner "Broschürenliste" zusammengestellt.
Fachveröffentlichungen liegen überwiegend in englischer Sprache vor. Sie richten sich an vorinformierte Leser und sind meist nur über wissenschaftliche Bibliotheken oder kostenpflichtige Onlinedienste zugänglich.
ICRP, 2005. Radiation Safety Aspects of Brachytherapy for Prostate Cancer using Permanently Implanted Sources. ICRP Publication 98. Ann. ICRP 35 (3).
Cattani F, Vavassori A, Polo A, Rondi E, Cambria R, Orecchia R, Tosi G. Radiation exposure after permanent prostate brachytherapy. Radiotherapy and Oncology. 2006; 79(1):65-69. doi: 10.1016/j.radonc.2006.02.010, doi: 10.1016/j.radonc.2006.02.010
Dauer LT, Zelefsky MJ, Horan C, Yamada Y, St Germain J Assessment of radiation safety instructions to patients based on measured dose rates following prostate brachytherapy. Brachytherapy. 2004; 3(1):1-6. doi: 10.1016/j.brachy.2004.02.002
Kaulich TW, Bamberg M. Radiation Protection of Persons Living Close to Patients with Radioactive Implants, Strahlentherapie und Onkologie. 2010; 186(2): 107-112. doi: 10.1007/s00066-010-2073-x
Kono Y, Miyamoto Y, Oohashi S, Fukushi M. Radiation exposure to general public after permanent brachytherapy for prostate cancer. Radiation Protection Dosimetry (2011) 146 (1-3): 229-230. doi: 10.1093/rpd/ncr156